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Rumini - Chapter 5
Übersetzung des 5. Kapitels:
Blätterchen
Alsbald befand sich die gesamte Besatzung auf der Insel. Nur Fritzi, der großgewachsene, mundfaule Matrose blieb auf dem Schiff und hielt Wache. Im Kampf gegen den Riesenpolypen verletzte er sich seine Hand, die nun mit einem riesigen Verband umwickelt war. Doktor Cincogi, der Schiffsarzt, verordnete Ruhe
und nur geringfügige Arbeit.
- Beim Holzfällen kannst du sowieso nicht helfen, Fritzi, sagte der Kapitän zu ihm. Am besten wird es sein, du bleibst zur Wache hier. Falls du irgendeinen Verdacht schöpfst, blase einmal in dein Horn. Wenn du Gefahr siehst, blase dreimal hinein.
Fritzi schlug die Hacken zusammen: - Verstanden, Herr Kapitän.
Auf der Insel entdeckten sie sofort eine wunderbare Quelle mit frischem Wasser. Doktor Cincogi schnupperte zunächst daran und dann nahm er auch einen Schluck von dem kristallklaren Wasser.
- Das ist sehr gut. Es hat einen ganz besonders süßlichen Geschmack.
Alle sehnten sich schon nach einem Glas frischen Wassers. Das Wasser, das sie in den Fässern auf dem Schiff hatten, war schon ein wenig abgestanden und seit Tagen tranken sie nichts anderes mehr. Der Kapitän gab also die Erlaubnis, die Trinkflaschen zu füllen, bevor sie sich an die Arbeit machten, und befahl, ebenso die leeren Fässer auf dem Schiff mit dem Quellwasser wieder aufzufüllen. Dann teilte er die Besatzung in Gruppen ein. Die meisten von ihnen blieben bei Papa Dolman, um Holz zu fällen und damit das Schiff zu reparieren. Anton und der Kapitän nahmen Peterchen Käsenarr an ihre Seite, um die Insel zu erkunden. Anton war auf der Suche nach Obstbäumen, damit er die Leerstände auf dem Schiff wieder auffüllen konnte. Balikus war sehr angetan von der Idee und wollte sich ihm anschließen. Doch der Kapitän hielt ihn zurück.
- Du kannst auch Früchte sammeln, Balikus. Mir wäre aber lieber, wenn du und Negro den anderen Weg erkunden würdet. Unsere Chance, etwas zu finden, steigt, wenn wir an verschiedenen Stellen suchen.
- Können wir dann nicht mit Balikus einen weiteren Weg gehen?, meldete sich Rumini gleich zu Wort. Vielleicht sind ja gerade dort Früchte, wo kein anderer nach ihnen sucht.
- Das kommt nicht in Frage. Es schadet nicht, wenn jemand ein Auge auf euch wirft. Geht nur mit Negro, der kann euch auf die Finger schauen. Ja, auch Roland und Dundi Bandi sollen mit euch gehen, damit ihr genug Mäuse zum Tragen seid, wenn ihr Obst finden solltet.
Der Kapitän machte eine Drehung und gab Anton und Peter ein Zeichen zum Abmarsch. Auch Doktor Cincogi schloss sich ihnen an und hoffte, dass er einige Ritzeratze-Bäume ausfindig machen würde.
- Mahlt man die Wurzel des Ritzeratzebaums und kocht diese in Kamillentee, so erhält man eine Medizin, die den tiefsten Schnitt heilen kann. Sie stoppt Blutungen und lässt Sodbrennen vergehen.
- Ich habe noch nie von so einer Mischung gehört, wunderte sich der Kapitän.
- Weil sie so selten ist. Fast niemand weiß, wo der Ritzeratze-Baum wächst. Auf dem großen Basar der Peleinsel hatte ich mal eine kleine Ampulle gekauft. Ich kann sagen, dass ich jeden damit heilen konnte. Nur war sie sehr schnell alle.
- Und sag mal, hast Du den Ritzratze-Baum schon gesehen?, fragte Anton.
- Nein. Wie sollte ich ihn auch je gesehen haben?, antwortete Doktor Cincogi und zog die Augenbrauen hoch.
- Wie wirst Du ihn dann erkennen können?, wunderte sich Peterchen Käsenarr.
Doktor Cincogi seufzte.
- Ich hoffe, ich werde ihn erkennen. Der Alte auf dem Basar hat mir genau beschrieben, wie er aussieht. Er hat ganz besonders geriffelte Blätter, die Wurzel ist so morsch, als wäre sie verfault. Von weitem erscheint er rot, von nahem betrachtet jedoch erkennt man, dass die Rinde in hundert Farben leuchtet: von ziegelrot bis dunkellila sieht man fast jeden Farbton.
- In dieser Richtung sehe ich nur bräunliche und gräuliche Baumstämme, sagte Anton und drehte seinen Hals.
- Ja, natürlich. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass gerade hier der Ritzeratze-Baum wächst. Trotzdem wäre es falsch, nicht einmal nach ihm zu suchen, und Doktor Cincogi beendete damit das Gespräch.
Unterdessen trieb Negro die Truppe weiter ins Innere der Insel.
- Wir kennen diesen Ort nicht, also seid vorsichtig, ermahnte er sie. Ich gehe voran, ihr drei geht neben mir, und das Ende der Schlange bildet Dundi Bandi.
Rumini, Balikus und Roland stellten sich brav neben Negro.
- Sobald ihr etwas seht, sagt Bescheid. Überholen oder stehen bleiben ist verboten.
Rumini rümpfte die Schnauze und schaute zu Balikus.
- Dieser Negro ist nicht ganz dicht, winkte er ab. Der kommandiert herum als wären wir Soldaten.
Sie zogen los. Bald ließen sie die Bucht hinter sich und kletterten den Berg, der sich in der Mitte der Insel befand, hinauf. Kurz darauf ertönte hinter ihnen das Schlagen der Äxte der Holzfällermäuse.
- Immerhin ist es besser, auf Berge zu klettern als Holz zu fällen, rief Rumini nach hinten.
- Warte mal ab, brummelte Balikus, denn er befürchtete, dass in Negros Gesellschaft auch das Bergsteigen keinen Spaß machen würde.
Nach einer plötzlichen Biegung stießen sie auf eine Lichtung. Am Rand der Lichtung erblickten sie Bäume, die sich unter der Last von leuchtendroten Früchten bogen.
- Stillgestanden!, befahl Negro.
Sie blieben stehen. Die Früchte hingen am Baumwipfel, so dass man sie von unten nicht erreichen konnte.
- Lass uns hochklettern, schlug Rumini vor.
- Aber vorher trinken wir etwas, sagte Dundi Bandi und ließ sich ins weiche Gras fallen. Er war ganz außer Atem von der Steigung und freute sich nun auf die unerwartete Pause.
- Meinetwegen, sagte Negro und setzte sich neben ihn. Bald hatten sie das frische Quellwasser aus ihren Feldflaschen bis zum letzten Tropfen ausgetrunken.
- Rumini, Balikus, warum trinkt ihr nicht?, wunderte sich Roland.
- Wir sind doch nicht verrückt und füllen unsere Bäuche mit Wasser. Viel lieber würde ich von dieser roten Frucht essen. Negro, dürfen wir hochklettern?
- Geht nur, Negro winkte ab, er lag auf dem Rücken und beobachtete wie geschickt Rumini und Balikus nach oben hochkletterten.
- Roland, du bleibst unten, rief er dem Dritten im Bunde zu, der sich gerade ans Klettern machen wollte.
Rumini und Balikus erreichten nach ein paar Minuten die Baumspitze. Sie schauten sich um. Vor ihnen eröffnete sich ein wunderbarer Ausblick auf das Meer. Tiefblaues Wasser, so weit ihr Auge reichte. In der Bucht schaukelte friedlich die "Königin der Winde."
- Ich kann die Holzfällermäuse gar nicht sehen, sagte Balikus und starrte in die Ferne.
- Seltsam. Ich höre auch die Äxte nicht, sagte Rumini.
- Es kann sein, dass auch sie eine Pause machen, meinte Balikus.
- Ich weiß nicht, kann sein, Rumini zog die Schultern hoch und pflückte eine Frucht. Er biss rein, und strahlte Balikus an.
- Ist das köstlich, er pflückte noch zwei bis drei Früchte und ließ sich mit einer geschickten Bewegung auf den Boden fallen.
- Bandi, das müsst ihr auch probieren! Verblüfft sprach er sie noch Mal an.
- Hey, hört ihr mir überhaupt zu?
Keine Reaktion.
- Hallo! Negro! Seid ihr taub?
Negro und Dundi Bandi lagen bewegungslos auf dem Boden. Roland hockte an den Baumstamm gelehnt.
- Ich schwöre dir, die sind eingeschlafen, empörte sich Rumini.- Komm, lass uns nachschauen.
Balikus kletterte ebenfalls runter. Negro, Bandi und Roland schliefen tief.
- Hey, wacht auf, meine Herren!
Sie rüttelten sie, aber vergeblich. Es war unmöglich, sie zu wecken.
- Das verstehe ich nicht. So erschöpft kann man doch gar nicht sein, murmelte Balikus.
- Das Wasser! Rumini fasste sich an die Stirn: - das Quellwasser. Alle drei haben eine ganze Feldflasche davon getrunken. Sicher sind sie deswegen eingeschlafen. Doktorchen meinte, es hätte einen seltsamen Geschmack.
- Du hast nichts getrunken, oder?
- Nein, du auch nicht?
- Ich auch nicht.
- Kann es sein, dass auch die ganzen Holzfäller eingeschlafen sind? Ich glaube, Papa Dolman hat sogar zwei Fässer getrunken. Der schnarcht bestimmt an einem Baumstamm.
- Wir müssen nach ihnen schauen.
- Wollen wir Negro und die Anderen hier lassen?
- Solange sie schlafen, können wir sowieso nichts machen. Wir müssen warten, bis die Wirkung des Wassers aufhört. Bis dahin, können wir jedoch machen, was wir wollen, sagte Rumini und schaute sich abenteuerlustig um. - Komm, lass uns Spinnen suchen.
- Aber, was ist, wenn sie aufwachen?
- Die wachen für eine Weile nicht auf. Schau, wie tief sie schlafen. Komm schon. In einer Stunde kommen wir wieder.
Balikus schaute sorgenvoll auf die Schlafenden und zeigte dann in Richtung Bucht.
- Und wenn ihnen etwas passiert?
- Was soll denn sein? Hier auf der Insel ist keine Mäuseseele. Komm schon, du vertrödelst nur Zeit.
Rumini griff in seine Tasche und holte seine Spinnensammlerdose hervor.
- Los, Balikus, wir können ihnen wirklich nicht helfen. Aber sobald Negro aufwacht, wird er wieder anfangen, herumzukommandieren, und wir werden dann keine einzige Spinne gesammelt haben. Denk an den Basar.
Balikus seufzte und nickte.
- Also, gut.
Aber Rumini packte ihn plötzlich am Arm.
- Psst.
- Was ist da?
- Schhhh! Horch!
Rumini bückte sich zum nächsten Strauch und sagte kaum hörbar:
- Da ist jemand. Aus dem Busch hörte man ein sehr leises Geräusch, als würde eine Amsel auf der Erde schaben. Es war aber keine Amsel. Die beiden Mäuse starrten vergeblich dahin, es war aber nichts zu sehen. Doch trotzdem, beide spürten, dass da etwas im Busch war.
- Was kann das sein?, Balikus zog die Augenbrauen hoch. Rumini antwortete flüsternd:
- Ich weiß es nicht. Jemand beobachtet uns. Sollen wir mal nachsehen?
- Lieber nicht.
- Was dann?
- Tun wir so, als würden wir auch schlafen. Dann geht es vielleicht weg.
Rumini streckte sich ordentlich, und sagte mit lauter Stimme:
- Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich bin so müde.
- Lass uns ein bisschen schlafen!, sagte Balikus ebenfalls sehr laut, ließ sich sofort auf den Boden fallen und fing an zu schnarchen. Rumini stupste ihm in die Seite.
- Hey, nicht so laut. Man merkt, dass Du nicht wirklich schläfst. Dann streckte er sich einfach neben Balikus aus. Mit geschlossenen Augen horchten sie. Das Geräusch hörte man noch eine Weile, dann verstummte es. Aber dann schien es, als würden winzigkleine Füße im weichen Gras tapsen. Rumini blinzelte unter seinen Wimpern in Richtung Busch. Vor lauter Staunen stockte ihm der Atem und er vergaß darüber beinahe, dass er ja seine Augen geschlossen lassen sollte. Im Gras näherten sich unglaublich winzige, grünbraune Wesen. Man hätte sie für Blätter halten können, wenn sie nicht dünne zweigartige Hände und Beine gehabt hätten. Ihre glänzenden Pünktchenaugen schauten aufmerksam umher, gespannt beobachteten sie die schlafenden Mäuse.
Zunächst schlichen sie sich zu Negro. Sie umstellten ihn, flüsternd wechselten sie ein paar Worte, dann holten sie ein dünnes Band hervor ähnlich einem Seidenfaden, und fesselten ihn so fest, dass er sich nicht einmal mehr hätte rühren können, wenn er aufgewacht wäre. Rumini und Balikus blinzelten sich verblüfft an, sie blieben aber liegen.
Nun kam Dundi Bandi dran, und dann Roland; die Blätterwesen fesselten sie ebenso flink und gingen dann auch schon auf Rumini und seinen Freund zu. Aber als sie nur noch eine Armlänge entfernt waren, rannte Rumini plötzlich auf sie los. Voller Schreck flohen die kleinen Wesen. Rumini verfolgte sie und mit beiden Pfoten gelang es ihm, zwei von ihnen zu fangen. Balikus nahm seine Kappe ab und warf sie auf die Fliehenden. Sie fiel auf eines, und ehe es sich befreien konnte, zappelte es sich schon in seiner geballten Pfote.
- Schnell, Balikus, tu es in die Dose!, drängelte Rumini und schrie auf, Auuu!
- Pass auf, die beißen! Es war sehr schwer, diese flatternden, zappelnden Wesen in die Spinnensammlerdose zu bugsieren.
- Rumi, hattest Du nicht gesagt, hier würde keine Mäuseseele auf der Insel wohnen?, schnaufte Balikus.
- Wer seid ihr?, fuhr Rumini das kleine Wesen an, das in der Dose zusammengekauert saß.
Sie fuchtelten nicht mehr herum, sondern kauerten in der Ecke und blinzelten sauer. Sie antworteten nicht und kniffen wütend ihre Münder zusammen.
- Jetzt antwortet schon. Wir wollen euch nicht weh tun, versprach ihnen Rumini, aber die kleinen Blätterwesen hörten nur stur zu.
- Wo können die Anderen bloß verschwunden sein?
Balikus rannte zum Busch und ging dann auf der ganzen Lichtung herum. Er nahm die Spur der übrigen kleinen Wesen auf. Aber es herrschte Totenstille.
- Na, die sind weg, stellte Rumini fest.
Die drei gefangenen Wesen spotteten in ihrem Käfig.
- Wo wohnt ihr?, fragte Balikus, aber die drei Wesen kniffen wieder nur ihre Münder zusammen.
- Aus denen kriegen wir sowieso nichts raus, Rumini winkte ab. Dann sprang er plötzlich auf. Was ist mit den Anderen? Kann es sein, dass sie auch gefesselt wurden?
- Lass uns nachsehen!
- Einer von uns muss aber hier bleiben, nicht, dass die Knirpse wieder kommen.
Rumini grinste: - Wieso? Vielleicht nehmen sie ja Negro mit. Mir würde er jedenfalls nicht fehlen.
- Nein, mir auch nicht, schüttelte Balikus den Kopf. Aber es wäre doch schlimm um Roli und Bandi.
- Na gut, Rumini wurde wieder ernst. Gehst du oder bleibst du?
- Ich gehe. Ich beeile mich, bin gleich wieder da. Und damit rannte er los zurück in Richtung Bergpfad.
Rumini stellte die Dose vorsichtig hin und versuchte, seine drei gefesselten Kameraden zu befreien. Er dachte, er könne den dünnen Faden leicht durchknabbern. Aber er täuschte sich. Er war aus einem so starken Material, dass es nicht zu schaffen war. Verwundert betastete er den Seidenfaden.
- So etwas habe ich noch nicht in die Pfoten bekommen.
Er fasste in seine Tasche, und es gelang ihm endlich, den Knoten mit seinem Taschenmesser zu zerschneiden. Behutsam löste er das Band von Roland, und genauso behutsam wickelte er die Seide zusammen. Das kleine Knäuel ließ er in seine Tasche gleiten. Dann befreite er auch Negro und Dundi Bandi. Das Band, mit dem sie gefesselt worden waren, bewahrte er ebenso auf. Derweil grummelten dieBlätterwesen wütend. Offensichtlich gefiel es ihnen nicht, dass Rumini ihre Opfer befreite. Sobald Rumini fertig war, kam auch Balikus ganz außer Atem wieder.
- Wie ist die Lage?
Balikus schnappte nach Luft und ächzte:
- Keine Spur.
- Was?
- Alle sind verschwunden. Da sind die halbabgesägten Bäume, die gespalteten Stämme, aber nirgends eine Mäuseseele. Ich habe nicht einmal die Äxte gefunden.
Als sie das hörten, lachten die drei kleinen Wesen freudig auf. Rumini drehte sich zu ihnen.
- Genug davon. Ihr sagt sofort, wohin man unsere Freunde verschleppt hat.
- Das sagen wir nicht!, verkündete das mutigste kleine Wesen.
- Das haben die gemeinen Monster verdient, fügte das andere hinzu.
- Wir wollen eurem Volk nichts antun, erklärte Rumini. - Wir sind nicht gemein. Unser Schiff ist beschädigt. Deshalb haben wir angelegt, damit wir Holz fällen für die Reparaturen.
- Na, also! Gemein seid ihr!, schrie das erste kleine Wesen und stampfte kampfbereit mit seinen Füßchen auf.
- Glaubt uns! Wir meinen es gut. Lass uns Freunde sein, bat Balikus, doch die drei kleinen Wesen wandten ihnen den Rücken zu.
Rumini überkam die Wut.
- Na gut, sagte er, -komm, Balikus. Wir fahren zu zweit weiter. Wir werden uns selbst zur Peleinsel schiffen.
- Balikus blickte verständnislos, Rumini aber zwinkerte und fuhr fort: Die drei hier verkaufen wir auf dem Basar. Für die bekommen wir viel Geld, da bin ich sicher. Dann mieten wir uns eine Gruppe Holzfäller, kommen zurück und holzen die ganze Insel ab.
- Das könnt ihr nicht tun, fiepte das Blätter-Wesen.
- Aber genau das werden wir tun. Was glaubst du, Balikus, wie viele Goldstücke bekommen wir für so einen Winzling?
- Ich weiß es nicht, sicher zehn bis zwanzig, zwinkerte Balikus verschmitzt.
- Verkauft uns nicht auf dem Basar! Erbarmt euch, lasst uns frei!, flehten die drei kleinen Wesen sie an.
- Wir lassen euch ganz und gar nicht frei!
- Wir helfen euch, eure Freunde zu finden, wenn ihr uns nicht fortnehmt.
- Ne, ne, ihr wollt uns in eine Falle locken, damit ihr auch uns gefangen nehmen könnt, lachte Rumini.
- Nein. Unser Volk hält seine Versprechen.
- Wir wissen nicht einmal, wer ihr seid.
- Wir sind Blätterchen.
- Ich habe noch nie etwas von euch gehört.
- Diese Insel ist unsere Heimat. Wir leben hier zwischen den Bäumen. Wir sind ihre Wächter.
- Was bewacht ihr?
Die drei kleinen Wesen verstummten plötzlich, und kniffen erneut ihre Münder zusammen. Rumini stampfte auf.
- Na, bitte. Ihr antwortet schon wieder nicht. Komm, Balikus, lass uns zum Basar aufbrechen, mit denen hier verlieren wir nur Zeit.
- Nein! Nein! Lieber verraten wir es euch. Wir bewachen die Bäume, damit sie schön wachsen, damit sie keiner fällt oder absägt. Wir vernichten die Würmer, aber wir bekämpfen auch die Holzfäller.
- Das verstehe ich nicht, warum ihr diese Bäume bewachen müsst. Die haben nichts besonderes.
- Das ist dennoch unsere Aufgabe.
Rumini schüttelte den Kopf.
- Nirgendwo anders bewachen sie die Bäume, nur hier auf der Insel. Wie kann das sein? Sehr schwerfällig stieß das eine Blätterchen hervor:
- Es gibt hier einige besondere Bäume. Solche, die nirgendwo anders auf der Welt wachsen.
- Was für Bäume sind das?
Die drei kleinen Wesen verstummten. Balikus seufzte.
- Glaubt uns endlich, wir wollen euren Bäumen nichts zu Leide tun.
Die Blätterchen flüsterten sich gegenseitig etwas zu, dann sagte das Erste: - Wenn wir sehen, dass ihr unserem Volk wirklich nichts zu Leide tut und auch die Bäume ehrt, verraten wir es euch.
- In Ordnung. Dann antworte, wo wohnt ihr?
- In den Baumhöhlen, in den Erdrissen, zwischen den Wurzeln.
- Habt ihr die Schiffsbesatzung auch unter die Erde gebracht?
Die Blätterchen schauten sich gegenseitig an und schwiegen. Rumini knurrte ein wenig, da die senkten Blätterchen ihre Köpfe und sagten:
- Unser König hält sie in einem Versteck unter der Erde.
- Wie können wir sie befreien?
- Ihr müsst uns schwören, dass ihr nicht unseren Feinden helft.
- Ihr habt nicht einmal erwähnt, dass ihr Feinde habt.
- Sie kamen vor nicht allzu langer Zeit. Der Wind brachte sie. Winzige Würmer. Sie sind so klein, dass sie sich leicht vor uns verstecken können. Sie zerfressen die Wurzeln und Blätter der Bäume. Wir sind machtlos. Der Reihe nach erkranken die Bäume. Wenn wir die Würmer nicht besiegen können, werden unsere besten Bäume sterben.
Rumini und Balikus schauten sich an.
- Wir können vielleicht helfen, aber dafür brauchen wir den Kapitän und die anderen.
- Das müsst ihr eurem König sagen.
- Wir können euch dahin führen, bot das erste Blätterchen an. - Ihr müsst uns nur frei lassen.
- Von wegen, damit ihr sofort verschwinden könnt, oder was? Ihr bleibt lieber in der Dose und sagt uns, wo wir lang gehen sollen.
Die Blätterchen waren einverstanden. Rumini hob die Dose und das größte Blätterchen zeigte ihnen den Weg. Eine halbe Stunde lang schlängelten sie sich durch den dichtesten Wald. Mal mussten sie sich heraufhangeln, mal hingen sie sich an Wurzeln und ließen sich wieder herab. Nirgends war der Wald so dicht wie dieser, durch den die beiden Mäuse ohne die Wegweisungen der Blätterchen nicht durch gekommen wären.
- Ich hoffe, dass wir auf dem Rückweg auch jemand haben werden, der uns den Weg zeigt, murmelte Balikus sorgenvoll.
Der Wald wurde allmählich lichter und nach einigen Minuten erreichten sie eine kleine Lichtung. Bäume mit geriffelten Blättern und roten Stämmen säumten die eine Seite der Lichtung, auf der anderen Seite ragte eine schroffe Felsenwand empor.
- Da sind wir.
- Wo ist hier das Versteck? Ich sehe kein einziges Wesen eurer Art, Balikus wendete seinen Kopf.
- Einen von uns müsst ihr freilassen, meldete sich das eine Blätterchen, hier ist der Eingang. Einer muss rein gehen, und dem König Bescheid sagen.
- Warum können wir nicht zusammen gehen?, fragte Rumini.
- Die Wächter würden sofort die Schutzleute alarmieren. In sekundenschnelle würden sie ein Seidennetz über euch werfen und euch fesseln.
- Danke, darauf kann ich verzichten.
- Auch ich brauche das nicht, fügte Balikus hinzu.
Rumini dachte nach.
- Meinetwegen, soll einer von euch reingehen, die beiden anderen aber sollen hier in der Dose bleiben. Sag dem König, dass wir helfen wollen. Wenn sie uns jedoch angreifen, steht es nicht gut um sie, und damit nahm er das mutigste Blätterchen aus der Dose.
- Wie heißt du?
- Zirok.
- In Ordnung, Zirok. Du kannst gehen! Aber vergiss nicht, wenn du das gegen uns wenden solltest, bringen wir deine Kameraden auf den Basar und verkaufen sie.
Das Blätterchen rannte zur Felsenwand und verschwand in einem Riss. Bald kam Leben auf die Wiese. Auf den Ästen der rotstämmigen Bäume war Bewegung zu sehen. Rumini und Balikus konnten aber kein einziges Blätterchen erkennen, denn sie sahen den wirklichen Blättern so ähnlich, dass es unmöglich war sie von ihnen zu unterscheiden, sie ahnten jedoch, dass mindestens tausend kleine Wesen sie von jedem Winkel der Lichtung her beobachteten. Endlich erschien Zirok aus den Rissen der Felswand.
- Ich habe mit dem König gesprochen. Er erwartet euch in der ersten Halle. Wenn ihr wirklich helfen wollt, habt ihr nichts zu befürchten.
Rumini und Balikus schauten sich an. Große Lust hatten sie nicht, einfach so mir nichts dir nichts in die Felswand reinzumarschieren. Wer weiß, ob dort nicht doch eine Falle auf sie wartete.
- Nur einer von uns sollte reingehen, schlug Balikus vor. Der Andere wartet hier draußen mit den beiden Geiseln.
- Das ist eine gute Idee, nickte Rumini. -Ich gehe.
- In Ordnung. Wenn sie dir etwas tun, schrei, dann komme ich zu Hilfe.
Rumini folgte Zirok auf dem engen Weg. Nach einigen Schritten gelangten sie in eine riesige Felsenhalle. Es war nicht dunkel, denn das Sonnenlicht drang durch eine Wiese durch, die über ihnen lag. In der Halle wimmelte es von Blätterchen. Die meisten von ihnen ähnelten Zirok und seinen Kameraden, unter ihnen waren aber nicht nur blätterartige Gestalten. Einige sahen auf den ersten Blick wie Baumrinde, Moos oder einfach wie Grasbüschel aus. In der Mitte saß der König auf einem Thron aus roter Rinde. Seine Krone schmückten Misteln, seine Statur erinnerte an dornige Zweige. Mit knarrender Stimme ergriff er das Wort:
- Ich grüße dich, Unbekannter. Zirok sagt, ihr seid unsere Freunde. Meine Wachleute hingegen meldeten, dass ihr zwei meiner Untertanen in einer geschlossenen Dose gefangen haltet. Zirok meint, ihr würdet uns im Kampf gegen unsere Feinde behilflich sein. Meine Soldaten aber behaupten, dass eure Kameraden die Bäume der Insel gefällt hätten. Sprich nun. Wer seid ihr, und was wollt ihr von uns?
Rumini verbeugte sich.
- Ich grüße dich, König der Blätterchen. Mein Name ist Rumini. Wir sind Mäuse von weit her aus dem Mäuseland. Vor vielen Wochen sind wir mit dem Schiff zur Großen Peleinsel aufgebrochen. Unsere Schiffsladung erwartet der Herr der Peleinsel. Der Südwind aber trieb uns auf das Schlamm-Meer, wo uns ein Riesenpolyp bedrohte und unser Schiff beschädigte. Damit wir die beschädigten Stellen wieder ausbessern können, haben wir hier angelegt. Für die Reparaturen benötigen wir Holz. Wir wussten nicht, dass ihr hier auf der Insel lebt und wir wussten auch nicht, dass man hier keine Bäume fällen darf. In unserem Land verbrauchen sie viel Holz zum Bauen und zum Heizen.
- Auch wir benutzen das Holz für dies und das, doch nur solches, das der Wind aus der Erde gerissen oder der Blitz niedergeschlagen hat, sagte der König schon mit einer freundlicheren Stimme.
- Ich würde gerne wissen, was mit meinen Kameraden geschehen ist! Soweit ich weiß, haben deine Leute sie fortgeschleppt. Der König schaute Rumini an: - Die alle sind meine Geiseln. In der innersten Halle bewacht sie mein mutigster Soldat, schmetterte der König
- Ich bitte dich, lass sie frei. Glaub mir, wir werden der Insel nichts mehr zu leide tun. Wenn wir ein paar Bäume bekommen könnten, die vom Blitz getroffen wurden, dann könnten wir auch damit die "Königin der Winde" reparieren.
- Nur wenn du mir geholfen hast, unsere Feinde zu besiegen, werde ich deine Kameraden frei lassen.
- Aber ohne den Kapitän kann ich nichts machen.
- Dein Kapitän schläft noch. Bis morgen wird er auch nicht aufwachen. Wenn ihr bis dahin die Würmer ausrottet, dann kann ich sie frei lassen. Ihr werdet Holz bekommen, Nahrung und wir helfen euch bei der Reparatur des Schiffes. Andernfalls werdet ihr alle sterben.
Übersetzt von Julia Balogh
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